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Mittwoch, 15. Juni 2016

Lieber eine Katze im Baum als Feuer unterm Dach

Wer das unglamouröse Leben eines modernen Kleinhäuslers* führt, dem kann das wenig Heldenhafte der eigenen Existenz zuweilen schmerzhaft bewusst werden. Solche Momente wie neulich, als Nachbars Kater aus hoher Not geborgen werden wollte, sind dann willkommene Gelegenheiten, zu zeigen, was in einem steckt.

Eigentlich haben wir für solche Fälle die Freiwillige Feuerwehr. Weil unsere Gemeinde sich aus drei Dörfern zusammensetzt, haben wir sogar drei Feuerwehren. Jede hat ein eigenes Feuerwehrhaus, mehrere mit kryptischen Kürzeln wie KRF oder TLFA bezeichnete Feuerwehrfahrzeuge und natürlich einen Feuerwehrkommandanten, einen Vizekommandanten und was da Ämter mehr sind. Zudem hat die Feuerwehr eine schmucke Ausgehuniform, die in einem gewisse Assoziationen weckenden Dunkelbraun gehalten und der wesentliche Grund dafür ist, dass ich der Feuerwehr bisher nicht beigetreten bin - trotz meiner heimlichen Träume vom Alltagsheldentum (und mal abgesehen davon, dass ich lieber ein Feuer anzünde, als es zu löschen ...).

Nun brennt in unserer Gemeinde gottlob nur sehr selten etwas, das nicht brennen sollte. Dennoch hat die Feuerwehr alle Hände voll zu tun. Sie macht Jugendarbeit, hält Übungen und Schulungen ab, nimmt an Feuerwehrleistungsbewerben teil, betreibt in der Adventszeit eine Punschhütte, veranstaltet im Fasching einen Feuerwehrball und im Herbst eine bei der umgebenden Jugend beliebte Party unter dem Motto "The Roof is on Fire"; am 30. April stellt unsere Feuerwehr unter Einsatz von reichlich männlicher Muskelkraft den Maibaum auf, sägt ihn Anfang Juli wieder um, und sie wird angerufen, wenn ein Keller unter Wasser steht, ein havariertes Auto zu bergen oder eine Katze vom Baum zu holen ist. Allerdings rückt unsere Dorffeuerwehr unter der Woche tagsüber nicht mehr aus, weil zu wenige Feuerwehrleute vor Ort sind. Die meisten sind Pendler.

Und so haben wir den entflohenen Kater der Nachbarin am Ende selber gerettet. Nachdem wir die Grundstückseigentümer, wo der arme Carlo seit zwei Tagen im Baum festsaß, über mehrere Ecken telefonisch erreicht und diese sich als Tierfreunde entpuppt hatten, war's ein Kinderspiel: Mit der Leiter rein, an den Baum gelehnt, einer hält fest, einer klettert rauf. Zwar traute sich der Kater erst nicht aus der Krone, in der er wie in einem Korb saß, aber mit ein bisschen Zureden und Zerren konnten wir ihn schließlich doch sicher zu Boden bringen.

*Zur Figur des "Kleinhäuslers" vgl. Marianne Messerer, Die Unterschichten der ländlichen Bevölkerung mit Beispielen aus dem Weinviertler Museumsdorf, Diplomarbeit Wien 2008, S. 62ff (zum Download).

Montag, 6. Juni 2016

Kater auf Abwegen

Ein Held zu sein, ist ein Kinderspiel, wenn man einen sechsjährigen Sohn hat:
Papa, kannst Du mir die Flasche aufmachen? - Nichts leichter als das!
Papa, wieviel ist 300 Euro mal 300 Euro? - Aehhhhhh, 90 000 Euro zum Quadrat?
Papa, kannst Du meinen Stuntroller reparieren? - Schaun wir mal ...

Wobei mein Sohn aus unserem altersbedingten Kompetenzgefaelle seine ganz eigenen Schlüsse zu ziehen scheint. Es ist schon eine Weile her, ich kniete gebückt vor ihm, um seine Schuhe zu binden, da sagte er zu mir von oben herab:
Du, eigentlich müsste ich ja der Papa sein und Du das Kind. - Wieso das?
Weil, ich bin ja viel besser als Du. - ... Nun ja, wir können gern mal einen Tag tauschen. Dann bin ich das Kind und Du der Papa. Du musst dann aber alles machen, was ich sonst mache ...
Kurzes Nachdenken seinerseits. Endlich schüttelte er den Kopf: Nee, das geht doch nicht. Es gibt etwas, was Du besser kannst als ich. - Und das wäre? - Autofahren.

Neulich jedoch bekam ich Gelegenheit, mich vor meinem Sohn und noch vor anderen wirklich zu beweisen. Es war Nachmittag, als die Nachbarin von der anderen Bachseite anrief. Sie war aufgeregt. Der eine Kater sei schon seit gestern verschwunden, wieder einmal, und jetzt gerade habe sie ihn maunzen gehört, auf dem Nachbargrundstück. Ob ich ihr nicht helfen könnte, ich würde die Nachbarn doch kennen ...

Kater Carlo, der Ausreißer.
Man muss dazu sagen, dass wir hier eine ausgesprochen nette Nachbarschaft haben. Man plaudert über den Zaun, hilft einander, trinkt auch mal ein Bier zum Feierabend. Alle ringsum sind sehr nett, mit nur einer Ausnahme: Jene Leute, auf deren Grundstück nun der Kater verschollen war. Es ist ein älteres Ehepaar mit Schäferhund, zweifellos wohlhabend, das dort seinen Zweitwohnsitz hat. Ein großes Grundstück, dicht bewachsen mit sehr hohen Bäumen, die in der Nachbarschaft immer wieder für Unmut sorgen, weil sie zuviel Schatten und im Herbst zahllose Blätter abwerfen. Ein richtiger Wald, schön zwar, aber überproportioniert für ein Wohngebiet.

Von diesen Leuten wussten wir bisher nur, dass wir Nachbarn und die Probleme, die ihre Bäume uns bereiten, ihnen herzlich wurscht sind. Sie haben offenbar kein Interesse daran, sich hier zu integrieren, und halten sich, wenn sie da sind, irgendwo weit hinten in ihrem Wäldchen verborgen. Sie haben nicht einmal eine Klingel.

Mit anderen Worten: Für den Kater sah es nicht gut aus. Wie sollten wir die Eigentümer - gesetzt den Fall, dass sie überhaupt da waren - erreichen? Und selbst wenn wir sie erreichen würden, würden sie uns überhaupt auf ihr Grundstück lassen ... ?

Fortsetzung folgt.