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Mittwoch, 4. Mai 2016

Reich ins Heim

Und es soll später niemand sagen, er habe die Zeichen nicht vernommen: "Am Montag, den 25. April 2016 ereignete sich mittags um 12:28 Uhr MESZ bei Alland, Niederösterreich, ein Erdbeben, das eine Magnitude von 4,2 aufwies", meldete die ZAMG, die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik. Einen Tag zuvor hatte ein gewisser Norbert Hofer aus Pinkafeld die erste Runde der Präsidentschaftswahlen gewonnen. Zwei Tage später versanken die Bundesländer Kärnten und Steiermark, in denen besagter Kandidat überdurchschnittlich viele Stimmen gesammelt hatte, im Schneechaos. Der öffentliche Verkehr brach zusammen, ebenso wie das Stromnetz, die Polizei warnte die Bürger vor Lebensgefahr und riet ihnen, im Haus zu bleiben. 50.000 Hektar Wein-, Obst- und Ackerkulturen wurden durch den Frosteinbruch vernichtet, der Schaden beläuft sich auf mehr als 200 Millionen Euro ... Die Warnung hätte eindeutiger nicht sein können. Über den Kandidaten einer Partei, die ihren Wählern das Blaue vom Himmel verspricht, haben Himmel und Erde den Stab gebrochen.

In früheren Zeiten, als die Menschen noch ein Gespür besaßen für die Harmonie, die den Kosmos regiert, hätte das Volk die Zeichen sofort erkannt und keinen Herrscher auf den Thron gehoben, der offenkundig die Elementargewalten gegen sich hat. Aber dieses Gespür scheint den Menschen unserer Zeit verloren gegangen zu sein, und so steht zu erwarten, dass die Österreicherinnen und Österreicher den netten Herrn Hofer in der Stichwahl am 22.Mai zu ihrem Präsidenten küren. Warum? Weil er ihnen suggeriert, er könne ihr Land in jene "glückliche Insel" zurückverwandeln, als die Papst Paul VI. es einst bezeichnet hat. Einst heißt, in den seligen Siebziger Jahren, dem Sehnsuchtserinnerungsort der verängstigten Mittelschicht, als die Sozialleistungen immer mehr, die Arbeitszeiten immer kürzer wurden und die Supermächte mit ihren Atomwaffen für einen allzeit strahlend blauen Himmel über Europa sorgten.

Wenn der sympathische Herr Hofer und seine blauen Parteifreunde ihre Wähler nur nicht täuschen! Der Kandidat ist nämlich stolzes Mitglied der schlagenden Burschenschaft Marko-Germania, die ihr Bekenntnis zum "deutschen Volkstum" in den Farben Schwarz-Rot-Gold ausdrückt. Womöglich bringt ein derart anschlussfähiger Bundespräsident mir als in Österreich lebendem Deutschen gar meine alte Heimat näher. Das wäre doch schön: Dann könnte ich demnächst wieder in Deutschland leben, ohne den Wohnort wechseln zu müssen.

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