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Samstag, 17. Oktober 2015

Nur was gleich bleibt, schaut auch was gleich

Zu den schönsten Seiten des Landlebens gehört zweifellos die Arbeit im Gemüsegarten. Auch wir haben auf unserem Grundstück einen solchen angelegt, wo wir von Äpfeln bis Zucchini allerlei anbauen. Irgendwann genügten mir die Erträge jedoch nicht mehr und ich wandte mich an einen Bekannten, seines Zeichens der letzte Vollerwerbsbauer unseres Dorfes und ein netter Kerl: ob er nicht einen kleinen Acker in Ortsnähe wisse, den ich kaufen oder pachten könnte?

Der Bauer meinte nach kurzem Nachdenken, ja, er hätte da einen Fleck von vier oder fünf Ar, also grad das Richtige für mich, zudem nur einen Katzensprung von unserem Haus entfernt. Er habe diesen Grund seit je von einer alten Frau gepachtet, sei es aber leid, ihn zu beackern, weil der Traktor kaum darauf wenden könne, er würde daher die Eigentümerin fragen, ob sie ihn mir verpachte. Diese Frau sei aber etwas eigen, fügte er hinzu, in ihrem Haus sehe es aus wie vor hundert Jahren und sie lebe allein und abgeschieden.

Sogleich wusste ich, wen er meinte. Ab und an sah man sie auf der Straße, eine kleine Frau, auf einem klapprigen Damenrad zur Kirche fahrend oder eine altertümliche hölzerne Schubkarre voll Heu schiebend, den Kopf stets in ein Tuch gehüllt. Es wäre mir nie eingefallen, mit ihr ins Geschäft zu kommen, aber ich hoffte auf meinen Bekannten, der einer alteingesessenen Familie entstammte - und prompt Erfolg vermeldete.

Tags darauf traf ich die Frau zufällig auf der Straße und stellte mich als ihren zukünftigen Pächter vor. Sie aber schaute gequält zu mir auf, druckste herum, sie habe die ganze Nacht nicht geschlafen, denn im Grunde sei ihr das alles gar nicht recht. Ich fiel aus allen Wolken. Aber wieso denn? - Nun, ich sei ein Fremder, wer könne denn wissen, ob ich nicht nächstes Jahr wieder fort sei? Außerdem bräuchte ich gar keinen Acker, gewiss sei ich damit überfordert.

Ich versuchte, ihre Einwände zu entkräften, indem ich erklärte, wir hätten uns hier häuslich niedergelassen, kehrte meine jahrelange Erfahrung im Gemüseanbau heraus, bot ihr mehr Geld an, und als auch das nicht half, argumentierte ich, sie würde überhaupt nichts riskieren, denn selbst wenn ich nichts Gescheites zustandebrächte oder mich gar vom Acker machte, könne sie ihn doch jederzeit wieder dem Bauer geben ...

Die alte Frau sah mich flehend an, ich möchte ihr bitte nicht bös sein, aber sie traue nun einmal keinem Fremden. Es seien eh schon so viele Fremde im Ort, nichts sei mehr wie früher. Da begriff ich: Wenigstens ihr kleines Feld sollte bleiben, wie es ist, denn - erklärte sie mir - "so schaut es immerhin was gleich".

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