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Dienstag, 23. August 2016

Das ist der Teutoburger Wald, den Tacitus beschrieben

Gestern sind wir von zuhause zurückgekehrt. Einmal im Jahr muss es einfach sein, dann verlangt es mich nach Heimaturlaub am Teutoburger Wald, wo ich das Licht der Welt erblickte, die ersten zwanzig Lebens- und später noch ein paar Studienjahre verbrachte und wo ich auch meine österreichische Frau kennengelernt habe. Das Besondere an diesen Reisen: sowohl der Hin- als auch der Rückweg ist eine Heimkehr.

Es gab eine Zeit, sie ist noch nicht allzu lange her, da habe ich mich in der alten Heimat geradezu fremd gefühlt. Die Vertrautheit der Orte, der Sprache und der Gesichter kontrastierte mit der Erkenntnis, nicht mehr dazuzugehören. Ich war ein Besucher, ein geschätzter wohl, aber eben jemand, der nur selten da ist und bald wieder gehen wird. Jemand, der seinen Alltag anderswo bestreitet. Und wenn es mir auch stets leichtfällt, den teutonischen Tonfall der deutschen Sprache wieder anzunehmen, so fielen meine Kinder umso mehr durch die österreichische Kadenz ihrer Sätze auf. Umgekehrt empfand ich nach solchen Reisen die Ankunft in unser Weinviertler Dorf eindeutig eine freudige Rückkehr an den Ort, wo mein Haus steht.

Teutoburger Wald

Diesmal jedoch habe ich mich am Teuto auffallend heimischer gefühlt als in den Jahren zuvor, und das lag wohl nicht am obligaten Besuch im "Heimat Tierpark" Olderdissen. Rührte es daher, dass nun, mit Mitte vierzig, die entwicklungspsychologischen Motive, aus denen ich seinerzeit mein Herkunftsmilieu verlassen musste, nicht mehr wirken? Lag es an der zunehmenden Altersweitsichtigkeit des Gedächtnisses, dass die Kindheit und die Orte, an denen ich sie verbracht habe, mir von Jahr zu Jahr in milderem Licht erscheinen? Oder macht die Krisenstimmung, die im vergangenen Herbst über uns gekommen ist, auch mich anfällig für den heimlichen Wunsch nach Rückkehr in die vermeintlich heile Welt der Kindheit?

Mag alles sein. Vor allem aber hatten wir auf diesem Heimaturlaub eine besonders schöne Zeit mit den Menschen, mit denen wir von klein auf verwandt- und freundschaftlich verbunden sind: Daheim sein, das heißt in guter Gesellschaft sein.

Dienstag, 9. August 2016

Fritter and waste the hours in an offhand way ...

Wir sind über den Berg. Am Sonntag ist die fünfte Sommerferienwoche zuende gegangen. Mit der angefangenen sind es jetzt nur noch vier Wochen, bis die Schule wieder anfängt. Neun Wochen Sommerferien können ganz schön lang werden, wenn man nicht zufällig Lehrer von Beruf ist. Die Kinder schalten um auf wohlverdientes Lotterleben, für einen selbst geht die Arbeit wie gewohnt weiter, ja, sie wird sogar mehr, denn spätestens nach einer Woche bricht über den unausgelasteten Nachwuchs unweigerlich die Fadesse herein. Die jungen Herrschaften wollen bespaßt werden!

Also gut, machen wir einen Ausflug auf die Rax. - O nein, bloß nicht Wandern!
Sollen wir ins Freibad gehen? - Nicht schon wieder.
In den Tierpark? - Urfad.
Was wollt Ihr denn überhaupt? - Weiß auch nicht ...

Es könnte einem ja wurscht sein, ob die Kinder sich neun Wochen langweilen oder nicht, wenn man als Homeworker nicht die daraus resultierende Unzufriedenheit ertragen müsste, die Streitereien und das Geraunze. Hinzu kommt, ich will es nicht verhehlen, auch eine kleine Portion Neid. Während wir als Schüler seinerzeit nur sechs Wochen Sommerferien hatten, kommen unsere Kinder in den anderthalbfachen Genuss. So gesehen wäre es günstiger gewesen, in Österreich aufzuwachsen und später zur Familiengründung nach Deutschland zu übersiedeln. Aber man kann sich sein Schicksal nicht immer aussuchen.

Außerdem habe ich errechnet, dass deutsche Schüler übers Jahr gar nicht weniger Ferien haben als österreichische, nämlich gut zwölf Wochen. Sie verteilen sich nur anders. In Österreich gibt es keine Herbst- oder Pfingsferien, und die Osterferien dauern nur eine Woche plus Feiertage. Unterm Strich alles ziemlich gerecht also und kein Grund zu klagen.

Inzwischen habe ich mich an die luxuriösen Ferien meiner Kinder nicht nur gewöhnt, sondern gelernt, das beste daraus zu machen. Zwar ist es mir als Erwachsenem weder vergönnt noch wäre es mir aufgrund meiner preußischen Sozialisierung überhaupt möglich, neun Wochen lang nix zu tun. Aber erstens kommen die Sommerferien inzwischen nicht mehr unerwartet über uns, so dass man vorausplanend mit Hilfe von Hortbetreuung, diversen Bootcamps und solidarischen Verwandten ein unterhaltsames Ferienprogramm zusammenstellen kann.

Und zweitens gelingt es mir während dieser neun Wochen ab und zu doch, ein wenig an der Ferienstimmung zu partizipieren und damit am wahren Reichtum der Kindheit: scheinbar unendlich Zeit zu haben.